… Astrid Biele Mefebue

Astrid_Biele_MefebueWie sieht ein typischer Arbeitstag einer Professorin für Diversitätsforschung aus? Was inspiriert die Mitglieder des Instituts für Diversitätsforschung? Womit beschäftigen sich die Alumni des Instituts im Moment?

In der Kategorie „Im Interview mit…“ stellen wir in jedem neuen Newsletter ein derzeitiges oder ehemaliges Mitglied des Instituts vor. Anhand von Interviews soll auf diese Weise die Möglichkeit gegeben werden, sowohl die studentischen und wissenschaftlichen Institutsmitglieder als auch die Alumni näher und vielleicht auch von einer persönlicheren Seite kennenzulernen.

Als nächstes im Interview ist die Vertretungsprofessorin Dr. Astrid Biele Mefebue, die von der studentischen Hilfskraft Nyasha Löhmann Yamegni interviewt wird.

 

Nyasha Löhmann Yamegni: Als Vertretungsprofessorin sind Sie wahrscheinlich viel beschäftigt. Wie würden Sie Ihren typischen Arbeitstag beschreiben?

Astrid Biele Mefebue: Mein Arbeitstag beginnt und endet mit dem Blick in den Kalender, denn mein Kalender sagt mir, was ich überhaupt und wann zu tun habe. Zwischendurch muss ich nicht schauen, da werde ich ja erinnert :-). In der Vorlesungszeit begebe ich mich an drei von fünf Tagen meist von einer Besprechung zur nächsten, mit Studierenden, verschiedensten Kolleg_innen und Mitarbeiter_innen hier an der Uni Göttingen oder auch anderswo, in Projekten (Publikation, Forschung), Gremien der wissenschaftlichen Selbstverwaltung… Also sehr viel Kommunikation, zum Teil auch Verwaltung. In der Vorlesungsfreien Zeit gibt es sehr viel weniger Termine und sehr viel mehr Spielraum zur inhaltlichen Arbeit an Projekten, Raum zum Lesen und Denken „am Stück“. Eins ist mein Arbeitsalltag (fast) immer: Abwechslungsreich und spannend!

 

NLY: Gab es einen Moment, in welchem Ihnen bewusst wurde, dass Sie Wissenschaftler*in sind?

Astrid Biele Mefebue: Es war ein sonniger Tag im Oktober 2011… Ein solcher Moment war tatsächlich der Tag der Verteidigung meiner Dissertationsschrift. Ob die Sonne geschienen hat? Ich war zu müde, hatte zu lange gearbeitet, um mich heute an das Wetter zu erinnern. Aber nachdem in die Dissertationsschrift soviel Mühe, Sorge, Herzblut geflossen ist, war ich bei der Disputation plötzlich (auch) positiv aufgeregt. Ich wusste, dass es (auch) darum ging, meine Arbeit zu kritisieren. Es ging damit aber ebenso darum, mein Vorgehen und meine Überlegungen zu verteidigen. Haben Sie Matrix gesehen? Wie Neo Mr Smith mit den Zeigefingern zum Angriff auffordert? Ich war (vermutlich) wesentlich weniger elegant dabei… Aber mir hat die intellektuelle Herausforderung gefallen, ich hatte wieder Spaß an meinem Thema. Und ich war so unendlich erleichtert, dass die Erinnerung vermutlich verklärt ist…

 

NLY: Was inspiriert Sie?

Astrid Biele Mefebue: Die Lebensgeschichten Anderer. Wir gehen häufig davon aus, dass entweder ALLE ganz genau so sind wie wir („alles ganz normal“) oder NIEMAND die Dinge genauso erlebt wie wir. Wie immer liegt die Wahrheit dazwischen. Unter anderem als Denkimpulse und als Reflexionsfolien für beide Wahrnehmungen, Phantasien oder auch Diskurse (Normalitätsvorstellungen ebenso wie individualisierende Verantwortungszuschreibungen im „Guten“ wie im „Schlechten“) sind Erzählungen aus Lebensgeschichten spannend.

 

NLY: Gibt es Orte, die Sie gerne sehen würden und warum?

Astrid Biele Mefebue: Alphabetisch geordnet: Brasilien (eine mir völlig fremde Welt, das Essen), Frankreich (Paris, immer und immer wieder, die Esskultur), Japan (eine mir völlig fremde Welt, Tokyo), Kamerun (die Küste, das Essen), Russland (die Architektur, Moskau), Wakanda (die Mode).

 

NLY: Welchen brennenden Fragen der Diversitätsforschung widmen Sie sich aktuell?

Astrid Biele Mefebue: „Wer kannst Du Dir vorstellen zu sein? – Und welche (institutionellen/organistionalen) Rahmenbedingungen beeinflussen Dein Vorstellungsvermögen?“ Das ist MEINE brennende Frage in der Diversitätsforschung. Mit Amartya Sen geht es bei sozialer Teilhabe darum, dass wir ein Leben führen, für das wir uns aus guten Gründen nach unseren eigenen Kriterien entschieden haben. Dafür ist wichtig, dass wir (möglichst viele) Optionen kennen, zwischen denen wir wählen können.


English Version:

Interview with Astrid Biele Mefebue

What does a typical working day look like for a professor of Diversity Studies? What inspires the members of the Göttingen Diversity Research Institute? What are the Institute’s alumni currently working on?

In the category „Interview with…“ we introduce a current or former member of the Institute in each new newsletter. By means of interviews, this is intended to provide the opportunity to get to know both the student and academic members of the Institute as well as the alumni more closely and perhaps also from a more personal side.

In this issue, student assistant Nyasha Löhmann Yamegni interviews acting professor Dr. Astrid Biele Mefebue.

 

Nyasha Löhmann Yamegni: As acting professor, you are probably very busy. How would you describe your typical working day?

Astrid Biele Mefebue: My working day begins and ends with a glance at the calendar, because my calendar tells me what I have to do at all and when. I don’t have to look in between, because I’m reminded :-). During the lecture period, I usually spend three out of five days going from one meeting to the next, with students, various colleagues and staff here at the University of Göttingen or elsewhere, in projects (publication, research), committees of academic self-administration… In other words, a lot of communication, partly also administration. During the lecture-free period, there are far fewer appointments which leaves much more room to work on the content of projects, space to read and think „in one piece“. One thing my working day (almost) always is: varied and exciting!

 

NLY: Was there a moment when you realised that you were an academic?

Astrid Biele Mefebue: It was a sunny day in October 2011… One such moment was indeed the day of my thesis defence. I wonder if the sun was shining. I was too tired, had worked too long to remember the weather on that day. But after so much effort, care, heart and soul had gone into the dissertation writing, I was suddenly (also) positively excited at the disputation. I knew that it was (also) about criticising my work. But it was also about defending my approach and my thinking. Have you seen The Matrix? Neo pointing his index fingers at Mr Smith to attack? I was (probably) much less elegant about it… But I enjoyed the intellectual challenge, I had fun with my subject again. And I was so immensely relieved that I probably romanticize the memory…

 

NLY: What inspires you?

Astrid Biele Mefebue: The life stories of others. We often assume that either EVERYONE is exactly like us („everything is normal“) or NOBODY experiences things exactly like we do. As always, the truth lies in between. Among other things, narratives from life stories are exciting as impulses for thought and as reflection foils for both perceptions, fantasies or even discourses (notions of normality as well as individualising attributions of responsibility in both a „good“ and a „bad“ sense).

 

NLY: Are there places you would like to see and why?

Astrid Biele Mefebue: In alphabetical order: Brazil (a world completely foreign to me, the food), France (Paris, over and over again, the food culture), Japan (a world completely foreign to me, Tokyo), Cameroon (the coast, the food), Russia (the architecture, Moscow), Wakanda (the fashion).

 

NLY: What burning issues in diversity research are you currently working on?

Astrid Biele Mefebue: „Who can you imagine yourself to be? – And what (institutional/organisational) frameworks influence your ability to imagine?“ This is MY burning question in diversity research. With Amartya Sen, social participation is about living a life we have chosen for good reasons according to our own criteria. For this, it is important that we know (as many as possible) options between which we can choose.