… Julia Gruhlich

Foto: Zu sehen ist Julia Gruhlich. Wie sieht ein typischer Arbeitstag einer Professorin für Diversitätsforschung aus? Was inspiriert die Mitglieder des Instituts für Diversitätsforschung? Womit beschäftigen sich die Alumni des Instituts im Moment?

In der Kategorie „Im Interview mit…“ stellen wir in jedem neuen Newsletter ein derzeitiges oder ehemaliges Mitglied des Instituts vor. Anhand von Interviews soll auf diese Weise die Möglichkeit gegeben werden, sowohl die studentischen und wissenschaftlichen Institutsmitglieder als auch die Alumni näher und vielleicht auch von einer persönlicheren Seite kennenzulernen.

Als nächstes im Interview ist die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Julia Gruhlich, die von der studentischen Hilfskraft Nyasha Löhmann Yamegni interviewt wird.

 

NLY: Julia, du arbeistest seit Anfang dieses Jahres am Institut für Diversitätsforschung. Welchen brennenden Fragen der Diversitätsforschung widmest du dich aktuell? An welchem Projekt arbeitest du gerade?

Julia Gruhlich: Aktuell forsche ich zu Smart Homes und widme mich der Frage, welche Vorstellungen von Geschlecht der Digitalisierung von Hausarbeit zugrunde liegt und ob das mit technischer Entwicklung verknüpfte Versprechen, Menschen das Leben leichter zu machen, tatsächlich aufgeht. Außerdem habe ich gerade ein Forschungsprojekt zur Digitalisierung der Arbeit in der Landwirtschaft durchgeführt, das ich sehr spannend fand, weil sich dabei gezeigt hat, wie belastet sich die Landwirt*innen fühlen. Hier möchte ich gerne aus intersektionaler Perspektive weiterforschen. 

 

NLY: Was würdest du sagen inspiriert dich?

Julia Gruhlich: Ich bin ein großer Fan kritischer Sozialtheorie und der Geschlechtertheorie. Aktuell befasse ich mich mit der Akteur-Netzwerk-Theorie, dem Neuen Materialismus und den Ideen des Posthumanismus. Für die Zukunft stehen auf meiner Leseliste auch noch neuere Ansätze des Ökofeminismus sowie feministische Psychoanalyse.

 

NLY: Du hast gerade von einer Leseliste gesprochen. Was liest du, wenn du keine wissenschaftlichen Texte liest?

Julia Gruhlich: Es muss auf jeden Fall eine Geschichte sein, die mich direkt fesselt und hineinzieht, es soll nicht kompliziert, langatmig und gestelzt sein. Außerdem lese ich in meiner Freizeit nur Bücher von Autorinnen. Richtig gut hat mir „Gerta. Das deutsche Mädchen“ von Kateřina Tučková gefallen, darin geht es um die deutschen Vertriebenen aus den tschechischen Gebieten. Meine Oma gehörte auch zu den Vetriebenen und die Geschichte hat mich deswegen auch persönlich sehr berührt.

 

NLY: Welche Orte würdest du gerne sehen?

Julia Gruhlich: Ich bin viel gereist und würde gerne noch mehr von der Welt sehen. Ich befürchte nur, ich muss mich ranhalten, weil entweder der Klimawandel oder die politischen Entwicklungen den Bewegungsradius doch stark einschränken. Ich möchte zum Beispiel nur ungern in Länder reisen, die LGBTQ-feindliche Gesetze haben.

 

NLY: Worum geht es in deiner letzten Publikation und wer sollte diese lesen?

Julia Gruhlich: Ich gebe gerade zusammen mit Maria Funder und Nina Hossain ein Handbuch zu Diversität in Organisationen heraus, mit dem wir eine Brücke zwischen der Organisationsforschung auf der einen Seite und der Geschlechter- und Diversitätsforschung auf der anderen Seite schlagen wollen. Wer bisher glaubte, dass Organisationen, seien es nun Krankenhäuser, Schulen, Unternehmen, Militär, Polizei oder Feuerwehr, ganz neutral und ohne Ansehen der Person funktionieren und agieren, wird dies nach der Lektüre anders sehen.

 

NLY: Als letzte Frage, welchen Rat würdest du Studierenden und/oder Wissenschaftler*innen auf dem Karriereweg geben?

Julia Gruhlich: Als Studentin hätte ich Initiativen, die Arbeiterkinder an der Uni unterstützen, hilfreich gefunden (z.B. arbeiterkind.de). Als Angestellte in der Wissenschaft war die Einsicht ernüchternd, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten auf 12 Jahre begrenzt sind, weil es fast keine Dauerstellen gibt (siehe auch #IchBinHanna auf Twitter). Mein Tipp: Das Schöne an der Wissenschaft im Blick behalte; den eigenen Erkenntnisinteressen folgen, dabei das eigene Selbst und andere bilden. Und das Netzwerken nicht vergessen! Ohne gute Kontakte, Austausch mit Studierenden, Freundschaften, Mentor*innen und Freude am gemeinsamen Arbeiten ist alles nur halb so erfüllend (und klappt auch die Karriere nicht so gut).


English Version:

… Julia Gruhlich

What does a typical working day look like for a professor of Diversity Studies? What inspires the members of the Göttingen Diversity Research Institute? What are the Institute’s alumni currently working on?

In the category „Interview with…“ we introduce a current or former member of the Institute in each new newsletter. By means of interviews, this is intended to provide the opportunity to get to know both the student and academic members of the Institute as well as the alumni more closely and perhaps also from a more personal side.

Next in the interview is research associates Dr Julia Gruhlich, who is being interviewed by student assistant Nyasha Löhmann Yamegni.

 

NLY: Julia, you have been working at the Göttingen Diversity Research Institute since the beginning of this year. Which burning issues in diversity research are you currently focusing on? What project are you currently working on?

Julia Gruhlich: I’m currently researching smart homes and the question of which ideas of gender underlie the digitalisation of housework and whether the promise associated with technical development to make people’s lives easier actually works. I have also just completed a research project on the digitalisation of work in agriculture, which I found very exciting because it showed how burdened farmers feel. I would like to continue researching this from an intersectional perspective.

 

NLY: What would you say inspires you?

Julia Gruhlich: I am a big fan of critical social theory and gender theory. Currently, I am involved with actor-network theory, new materialism and the ideas of posthumanism. For the future, my reading list also includes newer approaches to ecofeminism and feminist psychoanalysis.

 

NLY: You just mentioned a reading list. What do you read when you are not reading academic texts?

Julia Gruhlich: It definitely has to be a story that directly captivates me and draws me in, it shouldn’t be complicated, long-winded and stilted. Besides, I only read books by female authors in my spare time. I really liked „Gerta. The German Girl“ by Kateřina Tučková, which is about the German expellees from the Czech territories. My grandmother was also one of the expellees, so the story touched me personally.

 

NLY: What places would you like to see?

Julia Gruhlich: I have travelled a lot and would like to see more of the world. But I’m afraid I’ll have to hold off, because either climate change or political developments severely restrict my range of movement. For example, I don’t want to travel to countries that have anti-LGBTQ laws.

 

NLY: What is your latest publication about and who should read it?

Julia Gruhlich: I am currently publishing a handbook on diversity in organisations together with Maria Funder and Nina Hossain, with which we want to build a bridge between organisational research on the one hand and gender and diversity research on the other. Those who previously believed that organisations, be they hospitals, schools, companies, the military, the police or the fire brigade, function and act in a completely neutral way and without regard to the person, will see this differently after reading it.

 

NLY: As a final question, what advice would you give to students and/or scientists on their career path?

Julia Gruhlich: As a student, I would have found initiatives that support working-class children at university helpful (e.g. arbeiterkind.de). As an employee in academia, the realisation that employment opportunities are limited to 12 years because there are almost no permanent positions was sobering (see also #IchBinHanna on Twitter). My tip: Keep the beauty of science in mind; follow your own epistemological interests, educating your self and others in the process. And don’t forget to network! Without good contacts, exchange with students, friendships, mentors and the joy of working together, everything is only half as fulfilling (and your career won’t work out so well either).